Schon länger ist mir auf meiner morgendlichen Gassi-Runde durch den Wald die Spechthöhle an einem abgestorbenen Baumteil aufgefallen. Dieses Jahr nun konnte ich rege Tätigkeit um den Baum herum erkennen. Er lag ideal auf der anderen Seite des Baches, zu Fuß nur schwer erreichbar, aber vom Wanderweg aus bequem einsehbar.
Zwei Buntspechte machten sich an der Höhle zu schaffen, ab und zu verschwand einer darin – kein Zweifel, hier wurde Brutvorbereitung betrieben.
Einige Tage später dann war zu erkennen, dass beide Elterntiere mit Futter im Schnabel in der Höhle verschwanden, der Nachwuch war geschlüpft. Ganz leise konnte man vom Beobachtungsposten am Wegrand ein leises Piepen hören. Die darauffolgenden Tage waren geprägt von emsiger Futtersuche der Elterntiere. Das Gefiepe aus der Bruthöhle wurde lauter, sobald einer der erwachsenen Spechte am Baum landete und war bald schon von Weitem zu hören. Eines Tages bemerkte ich, dass die Großen nicht mehr in den Baum schlüpften zum Füttern, sondern aussen sitzen blieben und nur noch den Schnabel herausstreckten. In den folgenden Tagen wurden die Jungspechte immer kecker bis wir letzte Woche sehen konnten, wie die kleinen wartend aus der Höhle spähten und auf den Futternachschub mit lautem Geschrei warteten. Es konnte nicht mehr lange sein, bis zum Ausfliegen und ich hoffte, ein Bild der jungen Buntspechte ausserhalb des Nestes zu erwischen.
Inzwischen waren natürlich auch mehrere Wanderer auf meinen Beobachtungsposten aufmerksam geworden, ich konnte Bilder die ich mit dem Teleobjektives aufnahm am Kameradisplay zeigen und eine Frau erzählte mir auch, dass sie nun selbst viel mehr auf die Vögel in den Bäumen achtete. Wanderer brachten Ihre Kinder mit um ihnen das kleine Naturwunder im Siebenbrunner Wald andächtig zu zeigen.
Gestern ging ich voller Erwartung wieder los – am Wochenende meide ich das Gebiet eher, weil mir da zu viel Rummel ist. Schon von Weitem konnte ich das laute Brummen und Kreischen der Motorsägen hören. Voller unguter Ahnungen kam ich auf den Weg zum Spechtenheim und sah schon von Weitem einen Kleinlaster der Stadtverwaltung am Wegrand stehen. Aus dem Wald kam lautes Krachen und Splittern.
Einer der Arbeiter stand auf dem Weg und bat uns zu warten, während hinter ihm ein alter Baum fiel. Ich wies ihn auf die Baumhöhle hin, bat ihn, diesen Baum stehen zu lassen und er zog auch sofort mit seinen Arbeitern ab, aber es war wohl schon zu spät, der Schaden war schon angerichtet. Ich kann nur hoffen, dass die kleinen Spechte schon alt genug waren um zusammen mit Ihren Eltern die Flucht ergreifen zu können, während links und rechts von ihrem Wohnbaum die benachbarten Bäume fielen.
Heute morgen war Ruhe am Spechtenbaum. Kein Gepiepe, keine Elterntiere und rings um das ehemalige Buntspechtheim gefällte Baumstämme.
Ich kann durchaus verstehen, dass Pflegemaßnahmen im Wald notwendig sind, oft genug habe ich nach einem Sturm riesige abgebrochene Äste auf den Wegen liegen sehen, aber muss das unbedingt jetzt im Frühjahr sein? Kindern bringt man bei, nicht abseits der Wege zu springen, Hundebesitzer werden angehalten ihre Vierbeiner an die Leine zu nehmen, Gartenbesitzer sollen im Frühjahr auf den Heckenschnitt verzichten um die Kinderstube der Tiere zu dieser Zeit nicht zu stören. Angesichts gestiegener Holzpreise gilt das anscheinend nicht für Kettensägen und der Waldarbeiter, der neben Stammumfang, Verwertbarkeit und Fallschneise der Bäume auch den allgemeinen Blick für die Natur hat, ist wohl für die Stadt zu teuer geworden und mir geht seit heute Morgen das Lied von Gänsehaut nicht mehr aus dem Kopf…