Okt 042012
 

Hier nun der Fünfte und vorletzte Teil des Sardinienabenteuers.

Am Vormittag starteten wir zu unserer zweiten Tour. Nachdem sich die Straßen als gut befahrbar erwiesen hatten, wollten wir diesmal einmal quer über die Insel fahren. Dorghali war unser Ziel – Hanna hatte im Reiseführer gelesen, dass dort ebenfalls ein Handwerkszentrum sein sollte.

Wir starteten über die SS388 von Simaxis aus, der Himmel war schon etwas bewölkt. Hier in der Ebene empfing uns wieder eine völlig andere Landschaft mit eingebetteten Binnenseen. In Fordongianus führte uns dann das erste Mal eine Wegweiser Richtung Busachi in die Irre. Anstatt weiter wie geplant auf der SS388 zu bleiben führte uns die SP23 durch eine steppenähnliche Landschaft, vorbei an einem riesigen Fotovoltaik – Kraftwerk hin zu einem großen Stausee. Bei einem Cafee hielten wir an um einen Espresso zu trinken und Fotos zu schiessen.
Auf Sardinien setzt man anscheinend auf einen Mix aus Wind-, Solar- und Wasserkraft. Um den Speichersee zu füllen wird es wohl noch einige Jahre dauern. Die Brücke wurde jedoch schon höher gelegt und lässt erahnen, wie hoch hier einmal das Wasser stehen soll.


Beim Weiterfahren fielen die ersten Regentropfen und kurz darauf fing es kräftig an zu schütten. In meiner Mesh-Jacke wurde ich klatschnass und fragte mich, wie ich auf die bescheuerte Idee gekommen war, keine Regenkleidung mit zu nehmen. Im weiteren Verlauf der, wieder sehr gut ausgebauten Strecke wechselten sich immer wieder Regengüsse mit trockenen Abschnitten ab und in der einsamen Gegend dort oben fiel mir ein, dass ich die Reserver-Benzinflasche vergessen hatte. Kurz hinter Ortueri, mitten in der Pampas leuchtete das rote Tanksymbol auf. Noch ca. 50 Kilometer, dann sah ich uns schon die schwere Maschine durch den Regen zu schieben. Während sich meine Handschuhe voll mit Wasser sogen, beschloss ich mein Motorrad zukünftig Pioggiacreatore – Regenmacher zu nennen und damit noch möglichst viele Regeionen Sardiniens zu bereisen um den freundlichen Menschen in meiner Urlaubswoche, nach 6 Monaten öden Sonnenscheins den ersehnten Regen zu bringen.

Schliesslich erreichten wir doch noch Sorgono und eine Tankstelle. Natürlich – wie so viele Hier mit SB-Automat. Gut dass ich noch einige Scheine dabei hatte.
Von Sorgono aus ging es weiter durche eine wunderschöne Bergregion über Tiana und Ovodda nach Fonni. Die Gegend hier erinnert etwas an die Alpensüdseite – überall standen Maronibäume und am Wegrand waren stellenweise riesige Pilzhüte zu erkennen. Endlich lies sich auch wieder der blaue Himmel blicken und ich zog mein klatschnasses Hemd aus, denn das nasse Zeug war richtig kalt geworden.

Die Orientierung auf Sardinien fällt mir immer sehr schwer, denn meistens sind Wegweiser entweder zugewachsen oder übermalt oder manchmal auch dermaßen zerschossen, dass die Ortsnamen nicht mehr lesbar sind. Falls dann doch Wegweiser erkennbar sind, zeigen diese alles Mögliche – nur nicht das, was auf der Karte steht.

Inzwischen ist es wieder überall trocken geworden, man merkte, dass wir den Hauptgebirgskamm hinter uns gelassen hatten. Auf dieser Seite der Insel sind auch deutlich mehr Motorradfahrer unterwegs. Mittlerweile ist es schon recht spät geworden und ich beschliesse möglichst geradlinig auf der Schnellstraße Richtung Nuoro zu fahren. Die Strasse ist allerdings zum Fahren ziemlich öde und wir sind froh, sie bei Nuori wieder verlassen zu können. Inzwischen knurrt uns doch ziemlich der Magen und wir halten wieder einmal Ausschau nach einem Restaurant.


Über Oliena geht es weiter auf der SP46 vorbei am Lago di Cedrino mit der malerischen Bergkulisse im Blick erreichen wir schliesslich Dorgali, wo mir gleich am Ortseingan ein Hotel mit Restaurant ins Auge sticht. Es sieht ziemlich nobel undteuer aus, aber nach unseren bisherigen Erfahrungen ist uns das egal. Kurz entschlossen fahre ich auf den Hotelparkplatz und wir steigen erleichter ab und freuen uns auf ein richtig gutes Essen. An der Hotelrezeption erklärt man uns allerdings: „Ristorante chiuso!“
Ziemlich frustriert schwingen wir uns wieder in den Sattel und fahren weiter stadteinwärts. Gleich bei der ersten Bar halte ich an und frage nach irgendetwas essbarem. Wir bekommen Pizzaschnitte und Tramezzini. Nicht lecker, aber in dem Moment hätte ich sogar Fisch akzeptiert. Dafür ist das Ganze aber auch nicht teuer. Nicht mehr ganz so hungrig ziehen wir weiter, auf der Suche nach dem malerischen Hirten- und Bauerndorf. Wir haben es nicht gefunden, was natürlich auch am knurrenden Magen liegen kann. Immerhin entdeckt Hanna wieder eine kleine Weberei, wo sie sich das Webmuster zeigen lassen kann und Auskunft über sardische Wolle und Spinnereien erhält.

Nun ist es Zeit, an den Rückweg zu denken, vorher versorgen wir uns noch in einem Supermarkt mit essbarem und dann geht es auf Richtung „Heimat“. Inzwischen ist die Sonne wieder herausgekommen; ich habe sie auf der kompletten Rückfahrt deutlich vor Augen. Da wir mittlerweile wissen, wie schnell es hier finster wird, nehmen wir bei Nuori die Autobahn in Richtung Oristano und spulen die knapp 110Kilometer in weniger als einer Stunde ab. Kurz vor Oristano gibt es noch eine Raststätte, den wohl einzigen Autogrillo der Insel, wo ich mir nochmals eine Schnitzelsemmel gönne, dann erreichen wir bei Einbrechen der Dämmerung wieder die Ferienwohnung in Simaxis.

Dort holt uns dann das Unglück ein, das Telefon klingelt und unsere Tochter Elisabeth meldet sich. Die Kinder waren mit unserem Hund Leon beim Tierarzt, weil es ihm am Wochenende so schlecht ging. Der Arzt stellte eine Tumor fest, der möglicherweise nicht mehr oparabel ist und zu einem Darmverschluss geführt hat.
Völlig erschüttert beschliessen wir nach kurzer Beratung, dass ich den Urlaub abbreche. Hanna wäre sowieso am nächsten Tag geflogen und ich reserviere mir kurzerhand einen Platz in der gleichen Maschine. Der ist zwar fast so teuer, wie deibe Flüge die ich im Frühjahr gebucht hatte, aber das ist mir egal. Wir informieren Giovane und dürfen bei Ihr auch das Online Ticket ausdrucken. Ich schreibe eine SMS an Kalle, dass wir das Motorrad auf dem Langzeitparkplatz zur Abholung deponieren udn beginnen zu packen. Nach einer sehr kurzen Nacht, in der wir kaum geschlafen haben, brechen wir um 3:30 morgens auf, nicht ohne von Giovana noch mit einem richtig starken Espresso versorgt zu werden. Si backt uns zwar noch eine Art „armer Ritter“ der im Fett schwimmt, aber das bringt keiner von uns runter und wir fahren mit Hinweis auf die Abflugszeit schnell ab.

Die nächtliche Autobahnfahrt Richtung Alghero ist kein Vergnügen, es ist dunkel und auch kalt und ich pfeiffe auf alle Geschwindigkeitsbegrenzungen und sehe zu, dass ich so schnell als mögliuch vorwärts komme. Kurz nach 5 Uhr erreichen wir den Flughafen und verstauen Motorrad und Gepäck. Danach kommen die Abfertigungsformalitäten und um 9Uhr sind wir wieder in Deutschland, von wo aus wir abgeholt und schnellstens zum Tierarzt weiterfahren.

Leon hat die Operation nicht überlebt, der Krebs war zu weit fortgeschritten. Sein Tod überschattet alle Erlebnisse und ich werde wohl nie mehr an Sardinien denken können ohne nicht gleichzeitig den Verlust eines Freundes und Familienmitgliedes vor Augen zu haben.

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