Feb 272014
 

Als wir uns vor ziemlich genau 10 Jahren im Evangelischen Kinder- und Jugendzentrum um eine Erziehungsstelle beworben hatten, mussten wir uns als Familie bewerben. Schliesslich beinhaltet das Konzept „Erziehungsstelle“ ja die Vorstellung, Kindern, die nicht in der eigenen Familie aufwachsen können eine „Ersatzfamilie“ zu geben. Mit dieser Information ging ich in dieses Vorstellungsgespräch. Es sollte eine neue berufliche Perspektive für meine Frau werden, die damit nach der langen Pause und der Arbeit mit unseren eigenen Kindern wieder Anschluß an ihren Beruf als Erzieherin und eine vollwertige, sozialversicherte Arbeitsstelle bekam, was für uns ein riesiger Fortschritt war. Zwar war diese „Vollzeitstelle“ offiziell mit 40 Wochenstunden ausgeschrieben, tatsächlich bedeute es jedoch 7 x 24 Stunden, ohne Urlaub. Für mich gab es einen Vertrag als „ehrenamtlicher Mitarbeiter“ zu unterschreiben, und das bin ich auch die ganze Zeit über geblieben. Ein Aussenstehender, der zwar mitarbeiten, mitdenken, mittragen aber nicht mitreden darf.

Nachdem wir beide anfangs überall von der Einrichtung willkommen geheissen und begrüßt wurden, stellte sich für mich schnell heraus, dass das Modell der Ersatzfamilie hier eine gewaltige Lücke hat, denn während bei den eigenen Kindern Probleme in Zusammenarbeit zwischen dem betreffenden Kind und uns Eltern geregelt wurden, drängten sich in der Erziehungsstelle die verschiedensten Institutionen dazwischen.
Da waren: – meine Frau, die „zuständige Bezugserzieherin“, – die psychologische Fachberatung des Kinderheims, – die Leiterin der Erziehungsstellen, – die Heimleitung, – der Vormund, – das Jugendamt, – der leibliche Vater, – und Anfangs noch der Stiefopa, bei dem die Kinder vorher lebten. Nach allen diesen Institutionen kam eventuell noch der „ehrenamtliche Mitarbeiter“, der zwar manchmal gefragt wurde, aber keine Entscheidungsgewalt hatte.

Ehrenamtliche Mitarbeiter lädt man zur Weihnachtsfeier oder zum Betriebsausflug ein, sie dürfen Fahrdienste übernehmen, Möbel aufbauen und reparieren, sozusagen alle Hausmeisterdienste erledigen, die Gelder verwalten und regelmäßige Abrechnungen erstellen, haben jedoch -mangels erzieherischer Fachkompetenz nicht mit zu reden.
Ehrenamtliche Mitarbeiter in einer Erziehungsstelle sind weder bei der betrieblichen Supervision, noch bei den regelmäßigen Teamgesprächen erwünscht. Einmal wagte ich es, ohne Einladung zur Teamsitzung mit zu kommen, was eine Rüge der Fachberatung nach sich zog.
Damit hat also die „Familie“ unserer Erziehungsstellenkinder eine Fachfrau als „Mutter und einen ehrenamtlichen Mitarbeiter, der für die leiblichen Kinder der Familie der Vater ist, jedoch für die Erziehungsstellenkinder soetwas wie den Hausmeister darstellt. Es gab so einiges für den „Hausmeister zu tun, was neben meinem eigentlichen Beruf laufen musste. Reparaturen an den Zimmern, den Möbeln und der technischen Einrichtung. Instandhaltung des Fuhrparks, Organisieren der Urlaubsfahrten in Abstimmung mit den Wünschen der Ursprungsfamilie und natürlich immer der Kampf um die knappen Gelder, die wir regelmäßig aus eigener Tasche bezuschussten, sowie deren Abrechnung einschliesslich Belegsammlung.

Nun ist unsere Zeit als Erziehungsstelle also vorbei und aus meiner Sicht denke ich: „endlich“. Die beiden Kinder, die 9 Jahre bei uns lebten, haben eine schöne Entwicklung gemacht, sie haben viel mitbekommen, einen Schulabschluß, eine Ausbildungsstelle und nicht zuletzt auch ein kleines Sparbuch, das wir über die Zeit für die Beiden angespart haben. Nun liegt es an Ihnen, Ihr weiteres Leben zu gestalten und während meine Frau vom Kinderheim, den vielen Nebenmüttern und der Heimleitung geehrt und verabschiedet wird, geht für mich still und unbemerkt ein Lebensabschnitt als „Ehrenamtlicher Mitarbeiter“ des Evangelischen Kinder- und Jugendhilfezentrums zu Ende. Ich gebe zu, ich freue mich darüber, auch ohne eine offizielle Verabschiedung.